Ein Rezept für zukünftige Bewohnerzimmer

Es gibt Situationen, in denen die Redensart «Viele Köche verderben den Brei» absolut zutrifft. Im Musterzimmer des Anbaus West waren Franziska Glaus und Sibylle Hablützel in den letzten Monaten jedoch für jeden zusätzlichen «Koch» dankbar. Bis vor Kurzem haben Sie dort mit Bewohnern und Mitarbeitenden, Architekten und externer Beratung an zukünftigen Bewohnerzimmern getüftelt. In einem Musterzimmer haben sie über ein halbes Jahr Abriebe, Armaturen und Bodenbeläge getestet, überprüft und ausgewertet. Aktuell laufen die letzten Abstimmungen der Baukommission. Was es an vier Wänden so lange zu überlegen gibt? Mehr als man vermuten mag.

«Eigentlich ist die Schwierigkeit, dass wir auf Kompromisse verzichten möchten.» Sibylle Hablützel, Leiterin Facility Services im Alterszentrum Alenia, stellt ihrem Bericht über den Ausbau der neuen Bewohnerzimmer ein Resümee voran. Zusammen mit Franziska Glaus, Leiterin Pflege und Betreuung, treibt sie letzte Fleckentests zu Bodenbelägen voran und ist seit Monaten darum bemüht, allen Ansprüchen zu Design und Funktionalität an die neuen Bewohnerzimmer gerecht zu werden. «Vor einem halben Jahr haben wir im Erdgeschoss des Anbaus West mit dem Musterzimmer gestartet», erzählt Sibylle Hablützel, «und waren dann teilweise überrascht, dass beispielsweise der Abstand von der Waschbeckenablage zum Waschbeckenrand doch relativ viel Gesprächsbedarf birgt.»

Zentimeter um Zentimeter

Der Abstand von der Waschbeckenablage zum Waschbeckenrand sollte maximal eine durchschnittliche Armlänge betragen. Ist der Abstand grösser, kommt man aus der Sitzposition nicht mehr an die Ablage. Ist der Abstand zu gering, ist der Wasserhahn zu nah, und man kann sich nur noch in unbequemer Haltung die Hände waschen. «Das Volumen vom Waschbecken darf auch nicht zu gross sein, sonst hat kein Rollstuhl darunter Platz», ergänzt Sibylle Hablützel. Des Weiteren braucht es im Bad starke Farbkontraste. Wenn beispielsweise der Duschsitz die gleiche Farbe hat wie die Wandplatten oder der Boden, ist er für Personen mit einer Seheinschränkung oft kaum zu erkennen. Um speziell bei Fragen rund um die Barrierefreiheit an alles zu denken, hat Alenia sich extern Rat von einer Expertin geholt. 

Diese Funktion übernimmt Dr. Stefanie Becker. Sie leitet die Alzheimer Schweiz und ist vom Alterszentrum Alenia beauftragt worden, alle gemachten überlegungen hinsichtlich des Musterzimmers nochmals zu hinterfragen. «Sind zum Beispiel Kontraste zu gering, birgt das die Gefahr, dass die Sitzgelegenheit entweder gar nicht oder nur schlecht erkannt wird, sodass beim Absitzen das Risiko eines Sturzes besteht», so die Expertin. Alle überlegungen, das bedeutet: Wie werden die Badezimmer aussehen? Wie wird das Wohnzimmer aussehen? Was wird verbaut und was nicht? Was ist nachhaltig, was einfach nur schön? «Dass mich Alenia hinzuzieht, zeugt von Sensibilität für und Wissen um Unterstützung im Alltag – und dies bis ins kleinste Detail », so Stefanie Becker. «Und es zeigt, mit welcher Sorgfalt und Kompetenz sich Alenia um das Wohlbefinden der Bewohner kümmert.»

Farbenarm und fleckenreich

Was bereits feststeht, ist, dass es keine auffälligen Farben in den neuen Zimmern geben wird. Im Musterzimmer, das übrigens ein halbes Jahr testweise bewohnt wurde, kam zwar eine von Alenia vorgeschlagene Tapete in leicht entsättigtem Rot sehr gut an, trifft aber nicht den breiten Geschmack. Das ergab die Bewohnerumfrage, die Franziska Glaus und Sibylle Hablützel durchgeführt haben. Ein anderes Farbkonzept von Hebeisen + Vatter, dem zuständigen Architekturbüro, wird aus diesem Grund auch nicht umgesetzt. Jenes hatte sanfte Blau- und Grün- sowie liebliche Violettund Beigetöne für die Inneneinrichtung vorgesehen. Dr. Stefanie Becker würde hier, wenn überhaupt, eher kräftige statt entsättigte Farben empfehlen: «Auf keinen Fall sollte es ins Grelle kippen oder gar ins Neonfarbene.

Wenn in einem Wohnzimmer aber beispielsweise ein intensives Orange zum Einsatz kommt, das aus der Farblehre positive Gefühle fördert, kann das zum Wohlbefinden beitragen. Aber sicher, sobald jemand kein Orange mag, hat man ein Problem.» Grundsätzlich, findet Stefanie Becker, sollte die Symbolkraft von Farben immer berücksichtigt werden. In der Signaletik eingesetzt, spendet sie Orientierung und gibt Struktur. Sibylle Hablützel resümiert hier: «Zeitintensiver als die Farbauswahl ist vor allem die Suche nach fleckenresistenten Oberflächen.» Dabei hätten ihnen insbesondere die Pflegefachkräfte geholfen. «Viele Situationen sehen sie viel praktischer als wir, die uns eher theoretisch mit der Inneneinrichtung beschäftigen», so die Leiterin Facility Services. «Fleckenresistent» ist deshalb eigentlich besser verständlich, wenn man es im Sinne von «putzmittelresistent» versteht. «Flecken bekommt man eigentlich immer irgendwie aus einem Material heraus. Die Frage ist nur, ob danach das Material noch vorhanden ist.»

Vinyl ja, Parkett nein

Wegen einiger Putzmittel, die das Reinigungspersonal in den Bewohnerzimmern verwendet, sollten die Oberflächen daher besonders langlebig sein. Gegen Parkett im Wohnzimmer setzte sich deshalb der Pragmatismus durch. Zwar ist Holz unschlagbar beim Thema Wohlbefinden, aber eben auch sehr empfindlich. «Bis jetzt haben wir uns noch nicht festgelegt», sagt Sibylle Hablützel. «Aktuell testen wir in der Nussbaumallee 9 noch zwei andere Bodenbeläge, unter anderem einen Vinylboden.» Den habe sie während Recherchen in einer anderen Einrichtung bereits im Dauereinsatz gesehen. Auch im Badezimmer hat das Planungsteam von Alenia mit der Zeit festgestellt, dass die teilweise eingesetzte Säure für einen Polyurethanboden zu aggressiv ist. Jetzt werden stattdessen Plättli verlegt. So klären sich nach und nach Fragen um Fragen. Eine noch offene Frage ist, ob der Testbewohner des ehemaligen Musterzimmers wieder in jenes einziehen kann, sobald der Anbau West wieder bezugsbereit ist. Das wäre sein Wunsch, weil er sich dort so wohlgefühlt hat. Aber bei einem solchen Engagement vonseiten des Planungsteams dürfte auch dieser Wunsch kaum im Bereich des Unmöglichen liegen.

Elsa Horstkötter

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