«Wir würden es wieder tun»

Pflegende Angehörige

Nach einem Hirnschlag ist Martin Arn körperlich beeinträchtigt und auf Hilfe angewiesen. Seine Frau Silvia liess sich nach ihrer Pensionierung von der Spitex Muri-Gümligen anstellen und pflegt seither ihren Ehepartner als pflegende Angehörige. Für das Ehepaar Arn eine perfekte Lösung nach dem harten Schicksalsschlag.

Wie ein Blitz in der Dunkelheit. Der Hirnschlag traf Martin Arn vor acht Jahren in der Nacht von einem Samstag auf einen Sonntag. Völlig unvorbereitet. «Ich konnte mich danach nicht mehr bewegen und konnte mich auch nicht über die Sprache bemerkbar machen», erzählt Martin Arn. Und weil es Wochenende war, schlief seine Frau Silvia Arn sogar noch ein bisschen länger, ehe sie aufstand, um das «Sonntagszmorge» vorzubereiten. Erst danach habe sie gemerkt, dass etwas nicht stimmte, und umgehend die Ambulanz kommen lassen. «Diese lange Zeit zwischen dem Eintreten des Hirnschlags und der Einlieferung ins Berner Inselspital hat den Verlauf sicher negativ beeinflusst», sagt Silvia Arn heute mit einem Blick zurück.

Das Leben der Arns war von einem Augenblick auf den nächsten nicht mehr wie vorher. «In der ersten Phase ging es nur um das Überleben von Martin», erzählt Silvia. «Besonders schwierig war, dass er nicht sprechen und seine Bedürfnisse nicht kommunizieren konnte.» Nach drei Monaten war dann klar, dass er es schaffen würde. Martin Arn begann wieder zu sprechen und wurde in die Reha nach Tschugg verlegt. Der lange und beschwerliche Weg zurück in ein selbstbestimmtes Leben begann. Eine Zeit zwischen Hoffen und Bangen, die für Silvia Arn hart war. Sie arbeitete immer noch in Teilzeit in einem Büro und musste daneben viel Zeit für die Besuche bei ihrem Mann aufbringen. Zum Glück wurde sie von Tochter Julie und deren Partner, die in Gümligen leben, unterstützt. Die kleinen Fortschritte von Martin waren für die beiden das Glück im Unglück. Martins positive Lebenseinstellung war dabei besonders wichtig. «Ich suchte keinen Schuldigen, sondern akzeptierte die Situation und schaute nach vorne.»

Die entscheidende Frage war damals, ob das Paar wieder zusammenleben werden kann oder ob Martin in ein Pflegeheim kommt. «Es war mein Ziel und mein Ansporn, dass wir wieder zusammen in einer Wohnung leben können», erzählt Silvia Arn. «Das wollte ich unbedingt, diesem Ziel ordnete ich alles unter.»

Win-win-Situation in der neuen Wohnung

Schliesslich entschied sich das Paar, den Schritt zu wagen und zusammen in eine barrierefreie Wohnung im Lidopark in Gümligen zu ziehen. Silvia Arn besuchte berufsbegleitend den Kurs zur Pflegehelferin des Schweizerischen Roten Kreuzes – eine Bedingung, dass man sich bei der Spitex als pflegende Angehörige anstellen lassen kann – um sich die Grundlagen der Pflege beibringen zu lassen. «Auch dank der grossen Unterstützung durch die Spitex Muri-Gümligen, die damals noch im selben Gebäude an der Worbstrasse untergebracht war, haben wir zurück ins Leben gefunden», erzählt sie. 

Nachdem Silvia Arn pensioniert worden war, begann sie, bei der Spitex Muri-Gümligen als pflegende Angehörige zu arbeiten. Diese Möglichkeit besteht seit einiger Zeit und wird wegen der zahlreichen Vorteile gefördert – es ist eine dreifache Win-win-Situation:  Die Spitex kann so den Fachkräftemangel ausgleichen und ist dankbar für jede zusätzliche Unterstützung. Die pflegenden Angehörigen erhalten eine Entlohnung für ihre Arbeit, was die finanzielle Situation entlastet. Bei Bedarf werden sie durch Mitarbeitende der Spitex unterstützt, sodass sie nicht über ihre persönlichen und fachlichen Grenzen gehen müssen. Zudem wird die pflegebedarftige Person von jemandem betreut, den sie kennt und dem sie vertraut.

Die zurückgewonnene Freiheit

Heute leben die Arns in der barrierefreien Dreieinhalbzimmerwohnung weitgehend selbständig. Martin ist aber wegen seines gelähmten linken Arms täglich auf Hilfe angewiesen. Bei der Körperpflege oder der Wundversorgung, beim Duschen, Anziehen, Aufstehen oder ins Bettgehen. Die beiden sind inzwischen ein eingespieltes Team. Silvia unterstützt ihren Mann auch bei seinen Übungen zur Muskelstärkung und bereitet jeden Tag die verschiedenen Mahlzeiten vor.

Martin Arn hat sich über die Jahre – dank seiner Geduld und seiner Ausdauer – einen grossen Teil seiner Selbständigkeit wieder erarbeitet. Er braucht tagsüber zwar einen Rollstuhl, kann aber wieder gehen – so geht er in Begleitung und am Stock zweimal wöchentlich zu Fuss in die Physiotherapie im benachbarten BESAS der Siloah AG. Dank seiner Autonomie kann er sich jetzt gut auch wieder einen ganzen Tag lang selbst «vertörlen», wie er es nennt. Das wiederum bringt seiner Partnerin die Freiheit, auch einmal etwas für sich zu machen und so Energie für den kräfteraubenden Alltag zu sammeln. Bei ihren Abwesenheiten werden die pflegerischen Einsätze durch die Spitex Muri-Gümligen übernommen.

Die Möglichkeit, ihren Mann als pflegende Angehörige selbst zu betreuen, war für Silvia Arn das entscheidende Puzzleteil. Jetzt kann das seit 1985 verheiratete Paar ein erfülltes Leben ohne grosse finanzielle Sorgen führen. Das Leben ist teurer geworden, die gut ausgestattete Alterswohnung auch nicht billig, aber immer noch günstiger als ein Aufenthalt in einem Pflegeheim. Silvia Arn arbeitet in einem etwa 50-Prozent-Pensum und rapportiert ihre Arbeitszeit und Aufgaben genauso wie alle anderen Mitarbeitenden der Spitex Muri-Gümligen. «So kommen wir über die Runden und können uns sogar ab und zu ein bisschen Ferien oder einen Ausflug leisten», sagt sie. «Ich möchte Menschen in einer ähnlichen Situation Mut machen, sich eine Anstellung als pflegende Angehörige bei der Spitex zu überlegen.»

Für Silvia Arn war die Entscheidung, ihren Mann als pflegende Angehörige selbst zu betreuen, genau richtig. «Es war der richtige Weg, und ich würde es wieder tun.» Martin erwidert die Beteuerung seiner Frau lächelnd mit einem «schön zu hören».

Peter Pflugshaupt

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