«Wir pflegen seit je her einen guten Austausch»

Die 32-jährige Ramona Steiger wechselt nach ihrem 10-jährigen Dienstjubiläum vom Alenia ins Team der Spitex. Hingegen wird Beatrice Zbinden, die seit mehr als 10 Jahren für die Spitex unterwegs ist, per 2022 auch die Nussbaumallee 2 und die Bahnhofstrasse 43 mitbetreuen. Wir haben die beiden Powerfrauen gebeten, sich zu Themen zu äussern, die im stationären und ambulanten Pflegealltag wichtig sind.

Teamplayer oder One-Woman-Show?

Beatrice Zbinden: Die Rahmenbedingungen sind im Alenia und bei der Spitex anders, das Ziel, Menschen bei der Pflege zu unterstützen und im Haushalt zu entlasten, dasselbe. Als Spitex-Mitarbeiterin bin ich meist allein unterwegs, sodass ich eigenständig die sinnvollsten Entscheidungen treffen muss. Als ich früher in der stationären Pflege arbeitete, waren meine Arbeitskolleginnen immer nur einige Schritte entfernt und jederzeit abrufbar. Für mich ist die Spitex eine wertvolle Lebensschule, um in jeder Situation eine lösungsorientierte und gelassene Herangehensweise zu entwickeln.

Ramona Steiger: Das sehe ich genauso. In der stationären Langzeitpflege ist der Pflegebedarf höher, sodass die pflegerische Ausgangslage für die Pflegenden komplexer sein kann. Bevor ich im Jahr 2010 eine Stelle im Alenia antrat, arbeitete ich für die Spitex Bern, wo ich mir die von Beatrice erwähnte Selbstständigkeit aneignete, die mir auch im Spitin im Alenia zugutekam. Die Spitex-Einsätze erlebte ich als herausfordernd und spannend. Daher habe ich mich nach meinem Mutterschaftsurlaub dazu entschlossen, nun wieder ins Team der Spitex Muri-Gümligen zu wechseln.

Lokal stationiert oder mobil unterwegs?

Beatrice Zbinden: Ausserhalb der Alenia-Standorte werden wir Spitex-Mitarbeitenden mit unterschiedlichsten Wohnsituationen konfrontiert. Enge und verschlungene Raumaufteilungen, Treppen und Hindernisse findet man nicht in den schwellenlosen Wohnungen mit Dienstleistungen oder in den auf die Bedürfnisse älterer Menschen abgestimmten Wohngruppen im Alenia, wo es immer ein Haltegeländer gibt und man sich bei der Pflege in grosszügigen Räumen frei bewegen kann.

Ramona Steiger: Das kann ich prompt unterschreiben. Die Alenia- Standorte sind optimal ausgestattet, auch für Rollstuhlgänger und pflegebedürftige Menschen. Hilfsmittel und Material, das wir für die Pflege benötigen, stehen in allen Gebäuden bereit. Sogar, wenn jemand stürzt, kann ich einen geeigneten Gymnastikball holen, um einer Person sanft wieder auf die Beine zu helfen. Bei der Spitex ist hingegen viel Improvisationstalent gefragt, man muss sich mit den vorhandenen Gegebenheiten arrangieren und eine Lösung finden.

Spitex-Kunde = Alenia-Bewohnende?

Beatrice Zbinden: Im Alenia besteht im Wohnen mit Dienstleistungen für Bewohnende und Mitarbeitende eine gewiss Vorhersehbarkeit in der Tagesstruktur. Bei meinen Spitex-Kunden nehme ich eine andere Rolle ein, denn ich bin als Dienstleisterin zu Gast. Wenn sich ein Kunde verweigert, brauche ich viel Fingerspitzengefühl, um herauszufinden, weshalb. Hat er oder sie Schmerzen, bedrückt ihn etwas? Meistens liegt der Grund tiefer, weshalb ich einfühlsam vorgehe und überzeugende Argumente vorbringe, um den Knoten zu lösen oder einen Kompromiss auszuhandeln. An einem Silvestertag wollte ein Kunde zum Beispiel partout nicht duschen. Erst mein Einwand, dass er doch frisch ins neue Jahr starten wolle, leuchtete ihm ein (lacht). Dieses zwischenmenschliche Gespür ist in jeder Pflegeinstitution von grösster Bedeutung, sei dies bei der Spitex oder im Spitin. Standhaft bleibe ich, wenn die Sicherheit und das Wohlergehen bei der Medikamenteneinnahme oder der professionellen Wundpflege nach einer Operation durch eine Verweigerung gefährdet werden könnten.

Ramona Steiger: Ich stimme Beatrice zu, dass man bei der Spitex wie auch in der Langzeitpflege empathisch sein, sich in der Mitte treffen und gemeinsam mit den Bewohnenden eine für beide Seiten akzeptable Lösung finden muss. Vor meinem Stellenantritt war ich bspw. im Rahmen eines Schnuppertags mit der Spitex in Gümligen unterwegs. Als uns eine Frau nach mehrmaligem Läuten nicht die Tür öffnete, mussten wir sie per Telefon überzeugen, uns in die Wohnung zu lassen. Zunächst war sie zurückhaltend, freute sich aber schliesslich über den Besuch.

Routine und Flexibilität

Beatrice Zbinden: Wir nutzen bei der Spitex ein ausgeklügeltes Planungssystem. Über ein Tablet können ich und meine Teamkollegen Einsatzänderungen oder Hintergrundinformationen zu Medikamenten, besonderen Bedürfnissen und Entwicklungen unserer Kunden sofort abrufen. Kurzfristige Änderungen sind bei der Spitex an der Tagesordnung. Das hat damit zu tun, dass Kunden beispielsweise nach einem Spitalaustritt sofort auf unsere Unterstützung angewiesen sind.

Ramona Steiger: Das bewundere ich an der Spitex. Die Mitarbeitenden können sich innert kürzester Zeit auf neue Situationen einstellen. Ich sage immer, nicht alle Pflegenden sind Spitex-Typen, manche bevorzugen den geregelteren Alltag, der die stationäre Pflege bieten kann. Gleichzeitig habe ich grossen Respekt vor der Langzeitpflege, die Menschen in höheren Pflegestufen einen strukturierten und erlebnisreichen Alltag ermöglichen.

Zwischenmenschlichkeit und Beziehungstiefe

Ramona Steiger: Ich war für die Spitex bei einem Ehepaar im Einsatz, bei dem die Frau demenzkrank war. Wir spürten sofort, dass vor allem der Ehemann den sozialen Austausch mit uns brauchte. In solchen Situationen stehen wir den Angehörigen beratend zur Seite und leihen ein offenes Ohr. So können wir Überforderungen frühzeitig erkennen und reagieren.

Beatrice Zbinden: In der Langzeitpflege sind wir den ganzen Tag präsent und werden wichtige Bezugspersonen für die Bewohnenden, bei Spitex-Kunden sind oftmals die Angehörigen stärker involviert, während wir nur für spezifische Leistungen beigezogen werden. Für jemanden, der z.B. seine Eltern pflegt, sind diese Momente wichtig, sie können ihre Sorgen mit uns teilen oder Fragen stellen.

Vom Einzelbetrieb zum Verbund

Ramona Steiger: Für die Spitex-Mitarbeitenden ist es eine grössere Veränderung als für die Mitarbeitenden des Alenia. Mit der Bahnhofstrasse 43 und der Nussbaumallee 2 erhalten beide Institutionen eine Schnittstelle, wo die Grenzen zwischen stationärer und ambulanter Pflege nicht mehr so deutlich hervortreten. Zum Beispiel sind die Spitex-Mitarbeitenden in der Bahnhofstrasse 43 präsent wie auf den Wohngruppen im Alenia. Ich freue mich, dass alle Standorte nah beieinander liegen und die Spitex am 16. November 2021 an der Bahnhofstrasse 43 ihr neues Büro bezieht.

Beatrice Zbinden: Offen gestanden bin ich schon ein wenig «kribbelig», wenn ich an den gemeinsamen Neustart denke, freue mich aber auch. Die Spitex und das Alenia pflegen seit je her einen guten Austausch bei der Ausbildung und im Rahmen von temporären Aushilfseinsätzen. Dass wir künftig näher zusammenrücken und an einem Strang ziehen, betrachte ich als eine positive Entwicklung.

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