Ein Tänzchen in Ehren kann niemand verwehren.

Nach einem frühen Schicksalsschlag begann mit der Damenwahl im Schlossgut in Münsingen Anna-Rosa Zyssets zweites Glück, das bis heute gehalten hat.

Guten Tag, wie geht es Ihnen heute? Es geht mir nicht schlecht; mein Fuss schmerzt ein bisschen.

Warum sind Sie gerade im Alterszentrum Alenia? Nach meiner zweiten Hüftoperation war ich in Heiligenschwendi zur Rehabilitation. Dort passierte mir mit meinem Rollstuhl ein Unfall. Als ich nach der Fernbedienung greifen wollte, kippte ich mitsamt dem Gefährt um und verletzte mich. So war an eine Rückkehr in die eigene Wohnung nicht mehr zu denken. Als der Arzt in einem Gespräch dringend einen Heimeintritt empfahl, zweifelten meine Töchter an, dass ich mit diesem Schritt einverstanden sein würde. Trotzdem mussten sie mit der Suche nach einem Pflegeplatz beginnen. In Münsingen, wo ich viele Jahrzehnte gewohnt hatte, und auch in der näheren Umgebung waren jedoch alle Heime besetzt. Im Alenia gab es noch freie Plätze; ich konnte sogar noch zwischen zwei verschiedenen Zimmern wählen. Ich habe mich nun gut eingelebt und bin zufrieden.

Was vermissen Sie im Alenia? Ganz klar meine eigenen vier Wände und meine schönen Möbel. Auch die Aussicht auf den Belpberg fehlt mir. Ebenso vermisse ich mein E-Bike; ich liebte mein Zweirad und genoss die Fahrten damit immer sehr. Und ich würde mir wünschen, mit den anderen Bewohnerinnen und Bewohnern unserer Wohngruppe an einem grossen Tisch Gesellschaftsspiele zu spielen. In den jetzigen Räumlichkeiten ist das nicht möglich. Ich hoffe, es gibt diese Gelegenheit dann im Neubau.

Was gefällt Ihnen hier besonders und was weniger? Mir gefällt der Zusammenhalt auf der Wohngruppe. Ich geniesse den Kontakt zu den anderen Bewohnerinnen und Bewohnern. Ich bin hier in dieser Gemeinschaft aufgeblüht. Zu Anja Fischer, meiner Bezugsperson in der Pflege, habe ich ein sehr gutes Verhältnis.

Was würden Sie in Ihrem Leben anders machen, was nie mehr? Ich wuchs mit einem Bruder und einer zwölf Jahre jüngeren Schwester in Müntschemier im Berner Seeland auf einem Bauernhof auf. Ich unterstützte meine Mutter vor allem bei der Betreuung der kleinen Schwester. Nach der Schule verbrachte ich ein Welschlandjahr in einer Pension in Fontaines, in der die Arbeiter aus der nahegelegenen Uhrenfabrik untergebracht waren. Kurz vor Ende meines Aufenthaltes erkrankte meine Mutter schwer, und ich kehrte nach Hause zurück, um sie zu pflegen.

Wir hatten ein einfaches und glückliches Leben. Und ich konnte mir nichts anderes vorstellen. In den Wintermonaten war auf dem Hof immer weniger zu tun. Deshalb arbeitete ich jeweils während vier bis fünf Monaten zusätzlich in der Jowa Bäckerei in St. Blaise. Später wechselte ich in die Migros-Filiale an der Marktgasse in Bern. Dort traf ich meinen zukünftigen Ehemann. Auf dem Weg zum Hauptbahnhof sprach er mich eines Abends an und lud mich auf einen Kaffee ein. An diesem Abend hatte ich aber bereits andere Verpflichtungen, und so gab ich ihm einen Korb. Wir holten das Treffen aber nach, und so kam eines zum anderen, und im Juli 1967 heirateten wir. Unsere drei Töchter, die 1967, 1969 und 1974 geboren wurden, machten unsere Familie komplett. Frisch verheiratet wohnten wir noch für kurze Zeit auf dem Hof meiner Eltern. Im Oktober 1967 zogen wir in unsere erste gemeinsame Wohnung nach Seftigen und ein Jahr später nach Münsingen um. Mein Mann arbeitete nun in der dortigen Migros-Filiale. Mit seinem Vater war er oftmals zusätzlich an den Wochenenden als «Störmetzger» unterwegs. Ich verdiente nebenbei als Putzfrau in privaten Haushalten und im Schulhaus einen Zustupf für die Familie. Ferien mit unseren Kindern verbrachten wir fast immer im Tessin, in einer Ferienwohnung am Astanosee.

Zu unserem 25. Hochzeitstag gönnten sich mein Mann und ich eine Reise in die USA, nach Los Angeles, wo unsere jüngste Tochter als Au-pair arbeitete. Leider blieb dies unsere einzige gemeinsame grosse Reise. Mein Mann verstarb kurz darauf völlig unerwartet. Der Schock sass tief. Wir hatten einen liebenswerten, gutmütigen Menschen verloren, der bei allen sehr beliebt war.

1999 lernte ich meinen heutigen Partner kennen. Ich war mit einer Kollegin zum Tanzen im Schlossgut. Unter den anwesenden Männern war er mir bereits aufgefallen. Nun war Damenwahl, und ich packte meine Chance und forderte ihn zum Tanz auf. Dieses Jahr feiern wir bereits unser «20-Jähriges».

Was ist Ihre liebste kulturelle Beschäftigung? Ich besuche möglichst viele Anlässe und nehme auch an den angebotenen Aktivitäten teil. Die Kartenwerkstatt gefällt mir am besten.

Womit kann man Ihnen Freude bereiten? Ich bin mit wenig zufrieden. Ich freue mich über Besuch oder einen gemeinsamen Ausflug.

Welche Lebenswünsche sind in Erfüllung gegangen, welche nicht? Mit meinen Töchtern habe ich wunderschöne Ferien in Bali, Sri Lanka, Zypern und Amerika verbracht. Wenn ich zurückschaue, möchte ich nicht mehr als private Putzfrau arbeiten. Wir hatten noch viel weniger Hilfsmittel und Maschinen als heute.

Was möchten Sie unbedingt noch erleben? Einen Tandem-Gleitschirmflug vom Beatenberg nach Interlaken.

Was könnten junge Menschen von Ihrer Generation lernen? Das Grüssen scheint in der heutigen Zeit nicht mehr so wichtig zu sein. Wir lernten als Kinder noch, dass man die Menschen, denen man begegnet, immer grüsst.

Monika Di Girolamo

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