Das Leben ist ein Geben und Nehmen!

Guten Tag, wie geht es Ihnen heute? Mir geht es gut. Ende November 2019 erlitt ich einen Hirnschlag. Mein linker Arm war von einer Sekunde auf die andere gelähmt. Ich erinnere mich genau daran. Meine Frau und ich waren eingeladen und wollten gerade von zu Hause aufbrechen, als es passierte.

Warum sind Sie gerade im Alterszentrum Alenia? Anschliessend an meinen Aufenthalt im Inselspital trat ich für die Rehabilitation ins Siloah ein. Nach Ablauf der stationären Reha zog ich ins Alenia um. So kann ich weiterhin zweimal wöchentlich die ambulante Therapie im Siloah besuchen. Ich will wieder nach Hause zurückkehren. Das ist ganz klar mein Ziel, dafür trainiere ich. Fortschritte sind spürbar, und ich glaube fest daran, dass sich die Beweglichkeit meines Armes so weit verbessert, dass ein Leben daheim, zusammen mit meiner Frau, möglich sein wird. Ich bin ein positiver Mensch und überzeugt, dass mich diese Einstellung weiterbringt.

Was vermissen Sie im Alenia? Ich bin sehr zufrieden. Ich bewundere die jungen Leute in der Pflege, wie sie sich in ihrem Beruf engagieren. Alle geben sich Mühe und behandeln mich recht.

Was gefällt Ihnen hier besonders, was weniger? Die Signalisation auf dem Areal ist ungenügend. Ich erhalte viel Besuch, und zum Teil haben die Besucher eine wahre Odyssee hinter sich, bis sie mich finden. Nach meiner Pensionierung war ich als Rotkreuzfahrer tätig und fuhr mit meinen Kunden oftmals ins Inselspital. Die blauen Bodenmarkierungen (Linien) sind ideale Orientierungshilfen. Hier müsste man mehr  besser sichtbare Schilder aufstellen.

Was würden Sie in Ihrem Leben anders machen, was nie mehr? Ich wuchs zusammen mit meiner älteren Schwester in Lützelflüh auf. Später zogen wir in das Elternhaus meines Vaters nach Hasle–Rüegsau um, und meine Eltern übernahmen die Bäckerei meiner Grosseltern in zweiter Generation. Ich lernte Confiseur in Lausanne. Mein Vater fand diese Lehrstelle für mich. Zuerst konnte ich mich nicht dafür begeistern, ins Welschland zu gehen. Im Nachhinein war ich meinem Vater für die zusätzliche Sprachausbildung dankbar. Natürlich hatte auch ich wie fast alle meine Freunde einen Traumberuf. Für mich war dies Fahnder bei der Polizei. Aber zu dieser Zeit gab es wenige Informationsmöglichkeiten, und mein beruflicher Weg war, bedingt durch den bestehenden Familienbetrieb, bereits vorgegeben. Nach meiner Lehre absolvierte ich in Interlaken das Zusatzjahr als Bäcker. Das brachte mir nebst der Ausbildung auch mein privates Glück. Meine Frau arbeitete im gleichen Betrieb. So lernten wir uns kennen und lieben. Wir heirateten jung und wurden stolze Eltern von zwei Töchtern. Letzten November feierten wir unseren 60. Hochzeitstag. Von 1969 bis 1998 führten wir den Bäckereibetrieb zusammen weiter. Auf dem Land spielte der persönliche Kontakt zu den Menschen eine wichtige Rolle. Darauf legten wir besonderen Wert – ganz im Sinn der vorherigen Genera-tionen. Ich bereue nichts. Unser Geschäft lief gut, und wir hatten Erfolg. 

Mir war es immer wichtig, Kameradschaften zu pflegen. So bin ich gut 20 Jahre Mitglied im Männerchor Hasle–Rüegsau und im Bäckerchor gewesen. Auch nach der aktiven Zeit nahm ich an den monatlichen Treffen der Sängerkollegen vom Bäckerchor teil.

Was ist Ihre liebste kulturelle Beschäftigung? Das Singen und das Bewegen.

Womit kann man Ihnen eine Freude bereiten? Mit Besuchen. Hier haben mich nebst der Familie bereits viele Freunde, Verwandte und alte Bekannte besucht. Von einigen hätte ich niemals erwartet, dass sie an mich denken oder mich sogar besuchen kommen; umso grösser waren die Überraschung und die Wiedersehensfreude. Ich bin überzeugt: Wenn man im Leben viel gibt, kommt auch viel zurück.

Welche Lebenswünsche sind in Erfüllung gegangen, welche nicht? Heute ist vor allem die Gesundheit wichtig. Es gibt kurze Momente, in denen ich mit der jetzigen Situation hadere. Dagegen gibt es nur ein Rezept: Sofort wieder nach vorne schauen und weiterkämpfen.

Ich habe keine offenen Lebenswünsche. Nachdem wir unser Geschäft unserem Nachfolger übergeben hatten, unternahmen meine Frau und ich verschiedene Reisen. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir bis heute die Reise nach Mombasa. Aber auch mit dem Car waren wir oft unterwegs; quer durch Europa bis ans Nordkap.

Meine Frau und ich haben eine tolle Familie mit drei wunderbaren Enkeln, darüber freue ich mich sehr.

Was möchten Sie unbedingt noch erleben? So selbstständig werden, dass ich zu meiner Frau nach Hause zurückkehren kann. Und wieder einmal auf meinem Schwyzerörgeli spielen.

Was können junge Menschen von Ihrer Generation lernen? Mit weniger zufrieden sein. Nicht nur Negatives sehen. Schwierige Situationen akzeptieren und das Beste daraus machen. Ich bin ein sehr positiver Mensch und davon überzeugt, dass man mit dieser Einstellung weiterkommt. Sehr wichtig im Leben ist auch, sich ein gutes soziales Umfeld zu schaffen.

Können Sie uns noch eine Anekdote aus Ihrem Leben erzählen? Wir bekamen unverhofft Besuch von einem Kollegen. Er fragte meine Frau: «Frou Richard, heit dir scho immer ä Brüue treit?» Meine Frau antwortete verwundert: «I ha no nie ä Brüue treit.» «O nid i junge Jahre?» «Nei, o nid i junge Jahre.» «Was heit dir äch de denn gseh, wo dir Kürtu gnoh heit?» Noch heute können wir über diesen Spruch lachen.

Steckbrief
Name: Kurt Richard
Alter: 81 Jahre
Aufgewachsen in Lützelflüh
Beruf: Bäcker/Konditor
Im Alterszentrum Alenia: Januar bis April 2020

Monika Di Girolamo

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