«Wir können unsere Gesundheit präventiv beeinflussen»

Als Gerontologin, Bewegungsmensch und mehrfach Diplomierte im Fitness- und Group-Fitness-Bereich weiss Patrizia Pennella, wie wichtig Bewegung und Sport sind – insbesondere im Alter. Deshalb hat sie das Bewegungsförderungsprogramm «Bewegte Gemeinde» entwickelt.

Die Bevölkerung in der Schweiz wird immer älter. Wie wirkt sich das auf die Gesundheit der Gesellschaft aus?

Dank dem medizinischen und technologischen Fortschritt steigt unsere Lebenserwartung stetig. Die Frage ist jedoch, unter welchen Bedingungen dies geschieht. Es gibt kerngesunde 85-Jährige, doch tendenziell erhöht sich das Risiko mit zunehmendem Alter zu erkranken – auch mehrfach. Am häufigsten treten unter anderem Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Krebs und Arthrose auf. Muskelschwäche, Gang- und Gleichgewichtsstörungen, Schwindel, Seh- und Hörstörungen oder Inkontinenz können auch vermehrt im Alter auftreten. An Inkontinenz leidende Personen stürzen oftmals, wenn sie nachts im Dunkeln zur Toilette gehen. Ihr Radius verkleinert sich dadurch auch tagsüber, weil sie sich aus Unsicherheit nicht zu weit von ihrer Wohnung entfernen. Ein Teufelskreis mit weitreichenden Folgen wie Muskelabbau und Vereinsamung. Angehörige werden vermehrt eingespannt, um beschwerlicher werdende Alltagsaufgaben zu erfüllen. Wenn Eltern über 80 Jahre alt sind, gehören deren Kinder oft selbst der Generation 60+ an. Diese Tatsache kann für die Betroffenen und Angehörigen herausfordernd sein. Denn die Pflege- und Betreuungstätigkeit erfordert grosse personelle und zeitliche Ressourcen.

«Wir müssen vorausschauend denken, uns ausreichend bewegen und gesund ernähren.» Patrizia Pennella, Leiterin Fachstelle für Altersfragen, Gemeinde Muri b. Bern

Die Gemeinde Muri bei Bern besitzt demografisch gesehen die höchste Anzahl von über 65-Jährigen im Kanton Bern. Ist die Einführung der Fachstelle für Altersfragen eine Antwort auf diese Ausgangslage?

Ja, einerseits ist der demografische Wandel massgebend, andererseits ist die Einführung der Fachstelle für Altersfragen die Antwort auf einen kantonalen politischen Auftrag. Mit der Pensionierung der zwischen 1940 und 1970 geborenen Babyboomer-Generationen wird die Alterung der Bevölkerung voranschreiten. In den nächsten zehn Jahren wird der Anteil der über 65-Jährigen schneller ansteigen. Ein besonders hohes Wachstum wird mit einer Zunahme von etwa 50 Prozent bei den über 80-Jährigen erwartet. Das im Jahr 2021 verabschiedete neue Altersleitbild nennt 5 Handlungsfelder, 16 Ziele und 35 Massnahmen, die Trends, Bevölkerungsentwicklung und Bedürfnisse der älteren Bevölkerung aufnehmen. Das Thema Bewegung wird im Handlungsfeld 3, «Altersfreundlicher öffentlicher Raum, Sozialraumgestaltung und Mobilität», mit entsprechenden Massnahmen berücksichtigt.

Inwiefern?

Wir müssen vorausschauend denken, denn wir können unsere Gesundheit präventiv beeinflussen, indem wir uns ausreichend bewegen und uns gesund ernähren. Auch das Sozialleben ist ein weiterer Faktor, denn wer Bekanntschaften pflegt, bleibt oftmals länger mobil.

Die Fachstelle hat im Jahr 2020 das Bewegungsförderungsprogramm «Bewegte Gemeinde» ins Leben gerufen. Worum geht es dabei genau?
Die Grundidee der «Bewegten Gemeinde» ist es, Menschen, die mehrheitlich zu Hause sind, wieder mobiler zu machen, damit sie am gesellschaftlichen und kulturellen Leben der Gemeinde teilnehmen können und mögen. Die Teilnehmenden
gewinnen Kraft, Stabilität, Gleichgewicht und Sicherheit. Der Bewegungs- und der Begegnungsraum werden gefördert.

Wie stellen Sie ein geeignetes Trainingsprogramm zusammen?

Zunächst mache ich mit den Interessierten anhand von fünf spezifischen Tests eine Standortbestimmung: Ich errechne ihr Sturzrisiko, prüfe ihre Beinkraft, ihre Fortbewegungsgeschwindigkeit, ihre Stabilität beim Stehen, Sitzen und Gehen sowie ihre Fähigkeit, aus einer Liegestellung am Boden wieder aufzustehen. All diese Informationen fliessen in den von uns erstellten Trainingsplan für zu Hause ein. Die Übungen sind in Zusammenarbeit mit dem Fitness- und Physiotherapiezentrum Ambafit in Gümligen entstanden. Wir bilden Freiwillige zu Bewegungscoachs aus, die die Programmteilnehmenden beim Ausführen unterstützen.

Welche Rückmeldungen erhalten Sie von den Menschen, die das Programm bereits nutzen?

Wir erhalten durchwegs positive Rückmeldungen. Die Trainierenden fühlen sich kräftiger und sicherer. Damit gewinnen sie mehr Freiheiten im Alltag. Ein schöner Nebeneffekt dabei ist es auch, dass zwischen unseren Kundinnen und Kunden und den freiwilligen Coachs auch freundschaftliche Bande entstehen.

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