Gut umsorgt bis ganz zuletzt

Das Alenia trägt seit fünf Jahren das Label «Qualität in Palliative Care». Doch welche Herausforderungen zeigen sich im Alltag bei der Begleitung von Menschen in ihrem letzten Lebensabschnitt? Wie und wo spielt da die Qualität mit hinein? Esther Wälti gibt Auskunft.

Was genau ist mit «Palliative Care» gemeint – diesem Begriff, der um die Jahrhundertwende auch in unseren Breitengraden Einzug gehalten hat? «Palliative Care umfasst die Betreuung und die Behandlung von Menschen mit unheilbaren, lebensbedrohlichen und/oder chronisch fortschreitenden Krankheiten», so die Definition des Bundesamts für Gesundheit. Esther Wälti, seit über zehn Jahren im Alenia im Einsatz und mit der Begleitung von Menschen in der letzten Lebensphase bestens vertraut, ist im Zusammenhang mit diesem Begriff vor allem eines wichtig: «Bei Palliative Care geht es in erster Linie darum, den Betroffenen so lange wie möglich eine gute Lebensqualität zu bieten», betont sie. Sie spricht von einer Kümmerer-Kultur, die im Alenia gepflegt werde, deren Ziel es sei, Menschen ernst zu nehmen und ihnen bis ganz zuletzt ein Leben in Würde zu ermöglichen.

Planen, was planbar ist

Doch hier beginnt bereits die nächste Schwierigkeit: Was bedeutet Lebensqualität in einem Stadium der Existenz, in dem sich die körperlichen Funktionen sukzessive verschlechtern? Esther Wälti weiss aufgrund ihrer über 40-jährigen Tätigkeit in der Pflege, wie unterschiedlich die Antworten auf diese Frage ausfallen können. Lebensqualität sei in jedem Stadium wieder neu zu definieren, so ihre Überzeugung.

Dennoch: Gewisse Prozesse hat das Alenia standardisiert, um die Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner möglichst früh und umfassend zu ergründen. «Nach dem Eintritt klären wir an sogenannten Rundtischgesprächen mit den Neueintretenden und ihren Angehörigen, worauf sie besonderen Wert legen.» Was ist zu unternehmen, wenn sich der Gesundheitszustand verschlechtert? Gibt es Wünsche, die alle kennen sollten? «Wir sammeln möglichst viele Informationen, damit das Wichtige geregelt ist, bevor sich jemand vielleicht nicht mehr selber äussern kann», erklärt Esther Wälti. Das gebe allen Involvierten Sicherheit in einem anspruchsvollen, zum Teil nicht vorhersehbaren Prozess.

Bei dieser vorausschauenden Planung – Ad­vanced Care Planning, wie es im Fachjargon heisst – kommen in der Regel auch die Patientenverfügung und der Vorsorgeauftrag zur Sprache. Wichtig ist ebenso, sich mit dem Leben und der Vergangenheit der Betroffenen vertraut zu machen und stets mit ihnen in engem Austausch zu stehen: «Je mehr wir über die Lebensgeschichte unserer Bewohnerinnen und Bewohner wissen, desto besser können wir die Pflege und Begleitung auf ihre persönlichen Bedürfnisse abstimmen.»

Wünsche im Wandel

Doch nicht für alle ist dieses Vorgehen das richtige: «Es gibt Menschen, die über diese letzte Phase nicht sprechen wollen», gibt Esther Wälti zu bedenken. Das gelte es zu respektieren. Andere wiederum hätten beim Eintritt ins Alterszentrum bereits alles bis ins letzte Detail geregelt – bis hin zur Frage, welche Musik an der Beerdigung gespielt werden solle.

Aufmerksames Zuhören, sich Zeit zu nehmen, die Beziehung zu pflegen und zu spüren, wie es jemandem gehe, seien im palliativen Stadium etwas vom Wichtigsten. «Wir müssen offen und wachsam bleiben, auf Veränderungen reagieren und immer wieder kommunizieren – mit den Betroffenen, den Angehörigen und auch im Team», bringt es Wälti auf den Punkt. Denn die Bedürfnisse können sich von Tag zu Tag verändern: «Manche wünschen sich einfach, dass jemand in ihrer Nähe ist, mit ihnen spricht oder vielleicht die Hand hält, andere freuen sich über eine Fussmassage oder möchten eine Geschichte hören.»

«Je mehr wir über die Lebens­geschichte unserer Bewohnerinnen und Bewohner wissen, desto besser können wir die Pflege und Begleitung auf ihre persönlichen Bedürfnisse abstimmen.»

Esther Wälti

Schmerzen bekämpfen

Obwohl die Vorstellung über den letzten Lebensabschnitt von Person zu Person variiert, rangiert ein Wunsch beinahe ausnahmslos auf dem ersten Platz: Niemand möchte in der letzten Phase des Lebens von unerträglichen Schmerzen gequält werden. Dieses Anliegen hat nicht nur im Konzept der Palliative Care, sondern auch im Pflegealltag oberste Priorität.

«Aus medizinischer und pflegerischer Sicht gibt es zahlreiche Möglichkeiten, um Schmerzen zu lindern», sagt Wälti. Und doch gelingt es nicht immer, die Schmerzen ganz auszumerzen, besonders wenn sich die Ursache nicht so einfach ergründen lässt. Es braucht viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl, um herauszufinden, woher genau ein Schmerz rührt. Fragen stellen, zuhören, beobachten – das Pflegeteam und die Ärzteschaft sind laut Esther Wälti bei der Schmerzbekämpfung besonders gefordert, zumal es auch psychische Befindlichkeiten und Prozesse aufmerksam zu beobachten gilt.

«Bei Palliative Care geht es darum, den Betroffenen so lange wie
möglich eine gute Lebensqualität zu bieten.»

Esther Wälti

Intensiver Austausch mit Angehörigen

Ein weiteres Thema, das im finalen Stadium des Lebens oberste Priorität hat, ist der Austausch mit den Angehörigen. In der Regel seien diese sehr offen und dankbar, wenn die Pflege den Kontakt immer wieder aktiv suche, so die Erfahrung der Palliativ-Expertin. «Sie wissen, dass sie jederzeit zu uns kommen können und hier ein offenes Ohr für ihre eigenen Nöte und Ängste finden.» Die meisten suchten den Kontakt intensiv.

Auch nach dem Todesfall bleiben Esther Wälti oder ihre Kollegin Dominique Elmer, Qualitätsverantwortliche Pflege im Alenia, mit den Hinterbliebenen in Kontakt. So rufen sie die nächsten Angehörigen nach einem Todesfall in der Regel nochmals an, erkundigen sich nach deren Wohlergehen bzw. ihren Bedürfnissen und blicken gemeinsam auf das letzte Kapitel im Leben der Verstorbenen zurück.

Teamwork par excellence

Wie präsent ist das Thema Palliative Care effektiv im Alltag des Alenia? Esther Wälti muss bei dieser Frage nicht lange überlegen: «Palliative Care ist bei uns wirklich jeden Tag ein Thema, mit und an dem wir arbeiten.»

Seit der Zertifizierung im Jahr 2017 mit dem Label «Qualität in Palliative Care» hat das Alenia die Prozesse in diesem Bereich kontinuierlich professionalisiert (s. Kasten Seite 13): Heute sind interne Schulungen für Fach- und Assistenzpersonen zum Thema Palliative Care fest im Jahresprogramm verankert wie auch monatliche Fallbesprechungen auf den verschiedenen Wohngruppen. «Die jeweiligen Teams präsentieren an diesen Meetings aktuelle Fälle, die wir dann gemeinsam besprechen und für die wir Lösungen erarbeiten», erklärt Esther Wälti. Diskutiert werden Massnahmen, potenzielle Kriseninterventionen oder auch die Frage, wie und wann die Angehörigen eingebunden werden.

In der Praxis zeigt sich Tag für Tag, wie komplex, vielschichtig und sensibel die Zeitspanne vor dem endgültigen Abschied ist. «Palliative Care setzt viel Erfahrung und Expertise voraus und die Bereitschaft, sich immer wieder auszutauschen und zu verbessern», bilanziert die 58-Jährige. Ein Gebiet, auf dem selbst absolute Profis nie ausgelernt haben.

Tanja Aebli

Alenia: erneute Rezertifizierung

Vor fünf Jahren hat das Alenia das Label «Qualität in Palliative Care» des Schweizerischen Vereins für Qualität in Palliative Care erhalten. Im Jahr 2022 wurde bekannt, dass das Alenia das im Jahr 2021 durchgeführte Rezertifizierungsaudit bestanden hat. Das Alenia über­arbeitete anlässlich des Audits das Gesamtkonzept, erstellte einen Leitfaden zum letzten Willen und führte fallorientierte Besprech­ungen durch Palliativ-Peer-Tutoren ein. Die Pflegeteams werden seither enger durch sogenannte Peer-Tutoren begleitet, und die Herangehensweise an herausfordernde palliative Situationen erfolgt ganzheitlicher, professioneller und strukturierter. «Das ist ein weiterer Schritt, um besser auf die Bedürfnisse unserer Bewohnerinnen und Bewohner einzugehen und die Qualität unserer Prozesse weiter zu optimieren», kommentiert Direktor Peter Bieri die jüngsten Massnahmen.

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